„I leave it in
your capable hands to do what ever you want...and please write back saying how
much money you would like“
Briefing von Mick Jagger an Andy Warhol,
1969
Gern
philosophieren Strategen über neue Kommunikationsformen und die Herausforderungen,
die die neue Medienrealität für uns alle bereit hält. Stattdessen möchte ich einen
Blick auf ein ganz alltägliches, aber ebenso zentrales Instrument werfen, das
wir oft fälschlicher Weise für selbstverständlich halten: Das Briefing. Dabei
geht es mir nicht um Creative Briefs, sondern um die Briefings, die Agenturen
von Kunden erhalten.
Das oben zitierte
Briefing von Mick Jagger an Andy Warhol ist schriftlich und auch vom
Entscheider selbst formuliert worden. Damit erfüllt es schon generelle
Kriterien, die ein gutes Briefing ausmachen. Aber trotzdem ist es weit entfernt
von dem, was wir uns als optimale Arbeitsgrundlage wünschen.
Damit hier kein
falsches Bild entsteht: Viele Briefings sind heute gut durchdacht, spiegeln oft
einen eingespielten gemeinsamen Arbeitsprozess wider und bilden eine perfekte
Basis. Genau dadurch erkennen wir aber auch, wann diese Grundlage nicht optimal
ist. Und wissen daher auch, was wir vermissen. So ergab die Online-Umfrage unter Plannern,
was sie sich in Bezug auf Agenturbriefings wünschen:
1. Klarheit und Stringenz
2. Hintergrundwissen &
Zusatzinformationen
3. Persönlichen Dialog & einen gemeinsamen
Prozess
Was zählt, sind Klarheit in Struktur
und Denken.
Es geht nicht um
das Ausfüllen von Formularkästen, sondern darum, die wesentlichen Elemente, die
miteinander in Verbindung stehen, klar zu formulieren. Ein Briefing-Formular
ist nur eine Denkhilfe, die die Aufgabenstellung strukturiert. (Wesentliche Elemente
finden sich auf der GWA Checkliste „Briefing“, zu finden über die Website des GWA oder auch im Briefing-Kapitel im Buch „Brand
Planning“, Schaefer-Poeschel, 201. Eine
internationale Sicht auf das Thema bietet das IPA Institute of Practicioners
in Advertising)
Wesentlich ist, dass am Ende alle Teile zueinander passen. „Einerseits –
Andererseits-Briefings“ reflektieren zu viele Wünsche und mögliche Ziele, die
realistischerweise nicht erfüllt werden können. Jeder Widerspruch verwirrt und verhindert
sinnvolle Lösungen. Klare Ausgangslage, klare Ziele, klare Ansage: Wer weiß, wo
er steht, kann überhaupt erst sagen, wo er hin will. Die ehrliche und offene
Beschreibung der Ausgangslage lässt uns die Situation und das Businessproblem
verstehen. Daraus abgeleitet stehen klare Ziele – und klar heißt dabei: eindeutig
formuliert und priorisiert, soweit möglich auch quantifiziert. Also keine vage Forderung,
dass das Image optimiert werden soll, sondern konkret: welche Facetten? Um wie
viel Prozent? Und: wie wird die Zielerreichung überprüft?
Briefings sind mehr als ein ausgefülltes
Formular.
„Briefing
kommt zwar vom englischen „brief“ – also „kurz“ in der wörtlichen Übersetzung - die Kürze steht allerdings nicht im
Vordergrund. Wesentlich ist viel mehr, dass sich das Briefing auf den Kern der
Aufgabe konzentriert. Was nicht heißt, dass Planner nicht gern zusätzliche
Informationen und flankierende Daten haben - als Anhang, um darin zu stöbern. Zusätzliche
Informationen sind eine optimale Ergänzung zum Briefing - und können mehr sein als die verfügbaren
Marktforschungsdaten. Nicht nur beim Launch von neuen Produkten ist ein
multisensorisches Produkterlebnis hilfreich im Verständnis der Aufgabe und der
Entwicklung von strategischen Konzepten. Nicht umsonst kursiert die Legende,
dass Bartle Bogle Hagerty den Audi-Claim „Vorsprung durch Technik“ bei einem
Fabrikbesuch auf einem internen Schild entdeckte. Die forscherische Neugier der
Planner kann durch die unterschiedlichsten Formen gestillt werden – wie etwa Interviews
mit Mitarbeitern verschiedenster Bereiche, die Teilnahme an laufenden
Fokusgruppen oder die Besichtigung von Produktionsstätten.
Es ist der Start eines gemeinsamen
Dialogs.
Das Briefing ist
mehr als bedrucktes Papier. Was alle Planner in der Online-Befragung deutlich
betonten, war die Relevanz des persönlichen Austauschs im Prozess. Der Dialog
wird im optimalen Fall auch nach dem Briefing-Termin weitergeführt – mit einem
Re-Briefing, bei dem deutlich wird, wie Planning und Agentur nach Reflektion darüber
denken und welche Fragen noch offen sind. Oft werden dabei viele Fragen
gestellt, was nicht Unwissenheit oder Denkfaulheit bedeuten muss, sondern vielmehr
ein Zeichen der unvoreingenommenen Betrachtung und konstruktiven
Auseinandersetzung ist. In einem Re-Briefing oder Schulterblick ist es sinnvoll,
noch einmal gemeinsam erste Arbeitsansätze zu diskutieren. Für Strategen ist es
optimal, wenn sie über den Tellerrand – hier also über die im Briefing formulierte
Problematik – hinaus sehen dürfen, eine eigene Sichtweise dazu entwickeln und
offen diskutieren können.
Ein Agenturbriefing muss
kein Creative Brief sein.
Im Aufbau von
Agenturbriefing und Creative Brief gibt es Parallelen. Aber ein Creative Brief
ist fokussierter und gibt klarer eine Route für die Lösung vor. Es ist das Destillat der strategischen
Analyse und aller Überlegungen zum optimalen Weg, das definierte Ziel zu
erreichen. Hier gilt nicht die Tiefe der Information, sondern die kondensierte
Vermittlung inspirierender Ansatzpunkte für die kreative Lösung.
Das Agenturbriefing
hingegen ist das Fundament mit Hintergrundwissen und Information für die
strategische Arbeit. Es richtet sich an die gesamte Agentur und umfasst daher Fakten
und Formalitäten, die ggf. für den Creative Brief völlig unwesentlich sind. Es
braucht keine inspirierend formulierte Botschaft, sondern vor allem eine
Schilderung von Problem und Herausforderung sowie eine klare Zielvorgabe. Viele
Kunden definieren in ihrem Briefingformat möglicherweise eine Kernbotschaft.
Das ist nett, aber nicht nötig. Besser: statt einer spitzen und finalen
Botschaft lieber ein klares, zielgerichtetes und in sich schlüssiges Dokument,
das Key Benefits, Produktdifferenzierung oder andere strategisch nutzbare
Facetten beschreibt, die im Mittelpunkt stehen können.
Das Briefing an die Agentur ist ein
Startpunkt. Je besser das Briefing ist, desto einfacher wird es, darauf gute
Lösungen zu entwickeln. Und wie der Hauptdarsteller in „Black Swan“, Vincent
Cassel sagt: “Perfection is not just about
control, it’s also about letting go!
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