Friday, May 27, 2011

„Yummie Mammies“ statt Übermutti – ein Schritt nach vorn?



Die neuen Mütter sind da?
Es ist sonnig und warm und wieder Zeit für ein Leben im Freien, unter anderem auch auf Spielplätzen, wenn man Kinder hat. Neulich war gerade Muttertag – und um so eher drängt sich eine Betrachtung des modernen Mütterbildes auf. Wie ist sie denn eigentlich, die Mutter heute? Und wie sehen sie Werbung und Medien?

Der Kiosk zeigt einmal mehr, das auf der Suche nach attraktiven Zielgruppen scheinbar die lässigen, großstädtischen und stylebewussten „Yummie Mammies“ echtes Potential haben. Mit „mum“ aus dem Luna Verlag oder auch der aktuellen Gala Kids richtet sich z.B. Gruner & Jahr ganz eindeutig an die Mütter, die nicht als Glucke alles fürs Kind geben, sondern da noch mehr sehen, was zu einem ausgeglichenen Leben als Mutter zählt. Mehr Stil, mehr eigenes Leben, mehr Individualität. Hippe Muttis, die mindestens in Chucks und Röhrenjeans am urbanen Spielplatz rumlungern, den Bugaboo-Design-Kinderwagen vor sich her schieben, in der anderen Hand einen Latte Macchiato to go. Die Bilderbuch-Mutter aus einem der Leitmilieus nach Sinus, aller Wahrscheinlichkeit zuhause im Cluster der „Modernen Performerinnen“. So ganz anders als diese Supermamis, die uns lange aus der Werbung angegrinst haben. Doch eigentlich alles gut – oder? Denn wer will schon so eine Persilmutter sein, für die es nichts wichtigeres gibt als ihre Familie, saubere Wäsche und das Glück ihrer Kinder? Coole junge Eltern teilen sich heute schließlich die Elternzeit und wer wirklich superlässig ist, der packt sein Neugeborenes in ein Wickeltuch und macht sich mit Sack und Pack während der praktischen zwei Vatermonate in der Elternzeit nicht auf zum Spielplatz, sondern bereist gemeinsam die Welt und hängt lieber in Thailand am Strand ab.

Was mich dabei skeptisch stimmt: hier wir ein neuer Typ medialer Supermami aufgebaut. Allen voran Promi-Muttis wie Claudia und Heidi oder gleich perfekte symbiotische Elternpaare wie Brangelia – die es nicht unter zwei, eher sechs Kindern machen. Und nicht nur sind die Mütter berufstätig, nein, schon direkt nach der Schwangerschaft heißt es zurück ins harte Leben, optisch sehen sie längst im Wochenbett wieder so aus, wie keine Durchschnittsmutter vor der Schwangerschaft. Um den Druck für normalsterbliche Frauen zu nehmen, geben sie zu, das es anstrengend sei, dieser Dauerdrill direkt nach der Geburt mit dem Personal Trainer die Koordination von Nannies, Beruf, Partnerschaft und Kind.

Nicht nur in zielgruppenspezifische Printtiteln zeigt sich dieser neuen Typ der Supermutti – auch die Werbung zeigt Müttern ganz klar, wie die lässige und schöne Mutter so ist. Kinder sind dabei längst nicht mehr Mittelpunkt überfürsorglicher Mamis, sondern werden im besseren Fall zum Partner und besten Freund im dekorativ-lässigen Lebenschaos, im schlimmsten Fall zum gestylten Mami-Accessoire. Sie haben Spaß miteinander – und die Mutter ist natürlich nicht nur Glucke, sondern mindestens Familienmanagerin: schön, selbständig, unabhängig und umringt von anderen sexy Mamas. Süß, wie da die Tochter in Mamis Tasche ein Stück Schokolade versteckt, was diese erst im Büro findet. Fast schon die positive Ausnahme, wenn die Mehrheit der Mütterdarstellungen nach wie vor Mütter sind, die ernsthaft über Toffifee-Schokolade als Familienkitt philosophieren.



Die Wirklichkeit ist unperfekt.
Was die Beauty-Kommunikation längst erfolgreich mit Dove erkannt hat und auch die Brigitte in ihrer aktuellen Kampagne aufgreift – nämlich ein Bild, was sich eher an der Wirklichkeit und weniger am Perfektionswahnsinn orientiert - wenn es um das Mutter-Thema geht, macht die Wirklichkeit gern mal eine Pause. Und das kann nicht an Unwissenheit liegen.

Fakten dazu liefern die zahlreichen Studien zum Thema Familie und Mütter, die immer wieder publiziert werden. Meist von seriösen Instituten, und nicht selten in Kooperation mit Herstellern von Produkten, die von Müttern gekauft werden sollen – wie z.B. aktuell Milupa und Humana, die in Zusammenarbeit mit rheingold oder auch Allensbach sehr aufschlussreiche Studien abliefern.

Mütter selber sind längst in der Wirklichkeit angekommen. Immerhin jedes fünfte Kind wächst bei nur einem Elternteil auf - in neun von zehn Fällen bei der Mutter. Viele von ihnen arbeiten hart, dennoch muss jede Dritte mit weniger als 1100 Euro im Monat auskommen. Nur noch 27 Prozent der Kleinkindmütter glauben, dass gute Mütter nicht arbeiten gehen, sondern sich ganz um das Kind kümmern. Sonderbarerweise glauben aber auch nur 23 Prozent das Gegenteil: dass eine gute Mutter beides schafft, für die Kinder zu sorgen und einen Beruf zu haben. (Allensbach/ Humana-Studie) Ein Hinweis darauf, das Mütter bis heute keine Antwort darauf haben, wie sie das alles jonglieren, was uns ja eigentlich medial suggeriert mühelos gelingen kann?



Frauen und ihr selbstgemachter Perfektionsdruck.

Frauen machen sich das Leben selber schwer – und nicht nur die alleinerziehenden Mütter, die unter finanziellem Druck stehen. Mütter haben generell hohe Ansprüche an sich selbst, die sie unter Dauerdruck stellen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls rheingold in der Milupa-Studie von 2010, in der mehr als 1000 Frauen zwischen 20 und 40 Jahren befragt wurden. Die Psychologen stellten fest: Frauen fühlen sich unter ständigen Perfektionsdruck. Denn auch wenn die meisten von ihnen erklären, sie wollten gelassen sein, so wurde klar, das Frauen damit die eigenen Ansprüche sehr hoch stecken: „Alles soll schön leicht aussehen. Das fanden wir relativ schockierend, weil es verdeckt, was die Frauen an Ängsten mit sich herumschleppen.“ sagt Ines Imdahl vom Rheingold-Institut in der Frankfurter Rundschau.

Nur zwei von fünf sind wirklich gelassen, wenn es um das Thema Kinder geht, vier von fünf wären es aber gern. Frauen sind also bei weiten nicht so gelassen, wie sie es selber gern wären. Sie sind ihr eigener Feind, oder machen alternativ andere Mütter mit anderen Lebensmodellen zum Feindbild. Frauen fühlen sich hin- und hergerissen zwischen behütender Supermama und selbstbestimmter Erfolgsfrau – die prototypischen Bilder, die auch medial angeboten werden und nicht dabei helfen, ein eigenes klares und hilfreiches Selbstbild zu finden.



Eine offene Tür für Marken, die nicht genutzt wird.
Warum können Marken und Kommunikation hier keine bessere Hilfestellung, oder zumindest Stellungnahme beziehen? Sonderbar ist das schon – Medien berichten darüber, aber allzu oft handeln sie nicht danach. Hersteller forschen, aber kommunizieren nicht den Ergebnissen entsprechend. Das derzeitig dominante Mutterbild in Medien und Werbung ist keins, das uns die von rheingold aufgezeigte notwendige Entlastung in Bezug auf eigene Ansprüche zeigt. Da ist Raum für mutige Marken, die neue Wege gehen und endlich umsetzen, was klar auf der Hand liegt. Und vielleicht ein neues Leitbild mit entwickeln - irgendwo jenseits der auf neue Weise unangenehm perfekten, weil total gelassenen und perfekt gestylten Supermama.

Mit einem Mutterbild, das nicht nur keine Glucken mehr – sondern auch nicht als ebenso belastendes Gegenmodell das ewig Coole und Superschöne zeigt. Das Kinder nicht zu lustigen besten Freunden oder supergestylten Accessoires macht. Müttern nicht vorgaukelt, das man einfach ganz lässig sein altes Leben im Neuen weiterführen kann. Sondern das zeigt, wie das Leben von Müttern wirklich ist – ob nun berufstätig oder nicht. Zum Beispiel durchgeschwitzt statt durchgestylt irgendwo anzukommen, festzustellen, das weder Kind noch die eigene Bluse blütenrein ist, das unsere Kinder uns nicht liebevoll Kinderschokolade zugesteckt, sondern ihr altes Kaugummi an die Jacke geklebt haben. Mütter, die nicht in einer hyperstylischen hormonellen Glücksblase schweben, sondern durchaus zerrissen zwischen Selbstansprüchen, Wünschen und Möglichkeiten hängen und sich nicht Bilder von unerreichbaren Vorbildern und perfekten Lebensentwürfen wünschen – sondern vielleicht auch mal echte Hilfestellungen oder einfach nur die Botschaft, das es so, wie es ist, völlig ok ist.

Nicht nur ich als berufstätige Mutter würde das begrüßen – sondern, wenn wir den Studien glauben, mindestens tausende andere Mütter auch.

Der oben stehende Beitrag ist am 15. Mai in der "APG Strategy Corner" der new business erschienen.


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