Tuesday, October 9, 2012

Warum Agenturen sich selbst im Weg stehen, wenn es um ihre eigene Zukunft geht.


Planner sind nicht notwendigerweise Teil des Agenturmanagements. Im Rahmen der Crowdsourcing-Studie „Agencies of the Future“ hatte ich die Chance, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ein paar Thesen, warum die Kommunikationsbranche sich auf der Suche nach einer neuen Kultur der Ideen, der Wertschöpfung und der Talente selbst im Weg steht, konnte ich im Rahmen der Studie in einem Workshop auf der NEXT Conference in Berlin im Mai 2012 vorstellen.

Als ganze Generation haben wir gelernt: Think Big.
Die Zukunft – das ist groß und komplett anders. Und bestimmt noch sehr weit weg. Die meisten kennen die Filmszenen aus „Minority Report“ – in denen nicht nur Tom Cruise von personalisierter und omnipräsenter Werbung durch den Tag begleitet wird. Sicher ist das ein futuristisches Szenario, was in Teilen so möglich ist. Aber das allein wird es nicht sein. Überhaupt sollten wir den Begriff Zukunft überdenken – es geht hier nicht um futuristische Science-Fiction-Szenarien. Sondern um die nahe Zukunft – um das Morgen, nicht das Übermorgen.

Das bestehende Geschäftsmodell funktioniert noch viel zu gut.
Sowohl die inhabergeführten Agenturen in Deutschland als auch die Networks konnten im Jahr 2011 wachsen. Der GWA Frühjahrsmonitor zeigt eine „positive Geschäftsentwicklung der GWA Agenturen“ auch für 2012. Die Agenturen rechnen mit einem Wachstum des Gross Income von durchschnittlich 4,4 Prozent. (Im Jahr 2011 betrug es 6,4 Prozent.) Auch die Rendite entwickelt sich positiv zwischen 9 und 10 Prozent. Und auch Personal wird aktuell eher aufgestockt als abgebaut. (51 Prozent beschäftigen 2012 mehr Mitarbeiter laut Statista/GWA.)

Aber es stellt sich die Frage: Wie nachhaltig ist dieses Wachstum? Und heißt Wachstum auch gleichzeitig Veränderung und Optimierung des Geschäftsmodells?

Agenturen haben das Gefühl, sich die ganze Zeit zu verändern.
Wir leben in dem Gefühl, dass wir uns doch beständig anpassen und wandeln – indem wir zum Beispiel neue Disziplinen „eingemeinden“. Auch unsere Diskussion um die „Agentur der Zukunft“ ist nicht neu. Die US-Zeitschrift „Fast Company“ hatte in den ersten 10 Jahren (zwischen 1995 und 2005) mindestens 15 umfassende Storys dazu. Die erste davon hieß bereits 1995 „Rethinking Big on Madison Avenue“. Auch auf Mashable.com finden sich zu „Agency of the Future“ 361 Beiträge. Slideshare bietet über 90.000 Resultate. Und Google bietet zu „Agentur der Zukunft“ noch deutlich mehr Ergebnisse. Wir befassen uns gern damit. Aber verändern wir uns auch aktiv?

Das, was wir können, können wir zu gut.
Es ist schwer, alten Hunden neue Tricks beizubringen. Vor allem das Verlernen der alten Tricks steht der Entwicklung neuer Wege und Arbeitsweisen im Weg. Wir sind lauter alte Hunde, die gern an ihren geliebten alten Tricks festhalten. Wen wundert es, dass sich die TV-Serie „Mad Men“ so großer Beliebtheit erfreut.

Aber einer der original Mad Men, Bill Bernbach, hat es in seinem Kündigungsschreiben an Grey 1947 selbst schon formuliert: 
„The danger lies in the temptation to buy routinized men who have a formula for advertising. The danger lies in the natural tendency to go after tried-and-true talent that will not make us stand out in competition but rather make us look like all the others.“

Also müssen wir uns fragen: Wie lässt sich Altes verlernen und Platz für Neues schaffen – obwohl es (noch) funktioniert?

Wir beschäftigen uns am liebsten mit uns selbst.
Dabei könnten wir viel von anderen lernen. Denn Innovationen kommen oft von außerhalb der eigenen Kategorie. Clayton Christensen hat das bereits in den Neunzigern in seinem Buch„The Innovator‘s Dilemma“ ausführlich beschrieben. Er nennt das „Disruptive Technologien“ – und es gibt dazu zahlreiche Beispiele. Das prominenteste ist sicher Apple, die den Bereich Mobiltelefonie und Musik umgekrempelt haben – während die Kategorie-Experten zuschauten. Das aktuellste Beispiel ist Instagram – die Ästhetik sieht aus wie Polaroid. Hätte Polaroid aber selber nicht machen können.
Diese Art der Innovation erfordert eine Herangehensweise, die frei ist von den Restriktionen und dem „Experten-Wissen“ der eigenen Branche. Sie bricht mit allen Annahmen. Und muss in der Lage sein, noch funktionierende Geschäftsmodelle neu zu denken.

Von wem könnten wir also lernen? Vielleicht von der Automobilindustrie, in der sich ungewöhnliche Partner zusammentun wie BMW und Toyota? Einige Ideen, neue Partnerschaften einzugehen, gibt es bereits mit US-Agenturen wie Victors & Spoils, die in der Ideenfindung auf Crowdsourcing setzen. Oder neue Formen der Kollaboration und des Investments fern ab der eigenen Branche suchen: So stieg bei Sid Lee mit Cirque du Soleil ein Investor jenseits des Agenturbusiness ein, Wieden + Kennedy fungiert in den USA schon länger zeitweise als Inkubator für Start-ups – und gibt so nicht nur Wissen weiter, sondern holt sich auch gleichzeitig Inspiration ins eigene Haus.

Wir machen es uns einfach und suchen nach der einen richtigen Lösung.
Und vergessen, dass es in einer komplexen Welt wahrscheinlich mehr als eine Lösung gibt. Die öffentliche Diskussion dreht sich gern um die „Agentur der Zukunft“. Aber geht es nicht vielmehr um die verschiedenen zukunftsträchtigen Modelle? Wenn es nicht die eine, sondern viele Möglichkeiten gibt – dann muss die Frage jeder Agentur lauten: Wer bin ich? Was ist mein Fokus? Was ist das Angebot jenseits des eigentlichen Produkts? Christensen bezeichnet das als „Reframing“: Was ist der „Job to be done“? Also nicht Produkt oder Service verkaufen, sondern bei der Lösung des eigentlichen Problems ein Angebot machen. Und das wird sicher nicht alles für alle sein. Heute nicht. Und morgen auch nicht.

In unserer Sehnsucht nach Größe finden wir Kleines schnell zu klein.
Klein denken – das liegt nicht in unserer DNA. Aber: Klein ist der Anfang von Groß. Denn nur in kleinen Schritten können wir uns verändern. Kleine Schritte ermöglichen es, Dinge zu probieren und eine neue Richtung, neue Tricks zu probieren. Zu lernen. Und dann Stück für Stück größer zu werden.

Der US-Autor Peter Sims beschreibt das sehr schön in seinem Buch „Little Bets“ – wie zum Beispiel Comedians sich mit neuen Gags erst einmal inkognito einem kleinen Publikum stellen. Sie ausprobieren. Und an den Dingen, die gut funktionieren, weiterfeilen. Bis sie reif sind für die große Bühne.

Was sollten wir also lernen? Welche Ziele sollte jede einzelne Agentur mit kleinen Schritten verfolgen?

Uns fehlt der Mut zu akzeptieren, dass Wandel Unsicherheit bedeutet.
Veränderungsprozesse sorgen für Instabilität und Verunsicherung. Umso wesentlicher ist es zu akzeptieren, dass „Kapitalismus Chaos ist“ – wie der Ökonom Joseph Schumpeter es schon vor 100 Jahren bezeichnet hat. Denn nur Unternehmen, die sich kontinuierlich infrage stellen und so ein dynamisches Chaos als produktiv erleben, bleiben stabil.

Ich wünsche mir von dieser Branche, die selber von sich sagt, sie sei kreativ, dass sie sich nicht nur infrage stellt – sondern sich auf den Weg macht und
1. bewusster verlernt – Dinge loslässt, die eigentlich noch funktionieren – zugunsten neuer Wege und Lösungen,
2. neu fokussiert – Was machen wir eigentlich für wen? Was ist der jeweilige „Job to be done“ jeder einzelnen Agentur?,
3. klein statt groß denkt – in kleinen Schritten ausprobiert und lernt – und so wirklich etwas verändert. 

Dieser Post basiert auf einem Referat auf der NEXT conference im Rahmen eines Workshops zur Studie "Agencies of the future" und wurde auch als Beitrag in der new business im Sommer 2012 veröffentlicht.


2 comments:

  1. Eine ewig lange Diskussion. Am Ende des Tages geht es wie immer um Wert. Wie erschafft man Wert und findet jemanden, der bereit ist dafür den entsprechenden Preis zu zahlen.

    Meiner Ansicht nach stehen sich Agenturen deswegen im Weg rum, weil sie über Wert nicht nachdenken. Und da würde am Anfang stehen, welchen speziellen Wert können sie schaffen und am Ende, wie beurteilen Kunden diesen. Die alte Leier von Value creation und value capturing.

    In Agenturen fängt es aber schon an, dass man gar nicht das Produkt in Frage stellt, sondern die Umstände, den Kunden, das Geschäftsmodel. Das Geschäftsmodel ist auch nicht mehr zeitgemäss, aber es ist trotzdem erst der 2. Schritt in dem Prozess. Deswegen sollte sich die Diskussion nicht um den heiligen Gral des nächsten Geschäftsmodel drehen, sondern was können heutige Organisationen mit den entwickelten Fähigkeiten und Ressourcen erzeugen, was Kunden nicht können. Und da es nicht den einen Kunden gibt, wird es verschiedene Antworten geben mit dahinter liegend verschiedener Geschäftsmodelle.

    Aber ich stimme voll zu, solange noch Geld zu machen ist, wird sich die Industrie nur halbherzig ändern. Und dann wird es ihnen wie den Fliegen oder den Festplattenhersteller gehen. Nur etwas langsamer.

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  2. Danke für den Kommentar - den ich leider viel zu spät entdeckt hab unter "zu moderierende Kommentare". Aber die Diskussion ist sicher noch lange nicht zu ende geführt!

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