Sunday, April 22, 2012

Der Anfang jeder guten Strategie ist ein gutes Briefing.

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„I leave it in your capable hands to do what ever you want...and please write back saying how much money you would like“
Briefing von Mick Jagger an Andy Warhol, 1969

Gern philosophieren Strategen über neue Kommunikationsformen und die Herausforderungen, die die neue Medienrealität für uns alle bereit hält. Stattdessen möchte ich einen Blick auf ein ganz alltägliches, aber ebenso zentrales Instrument werfen, das wir oft fälschlicher Weise für selbstverständlich halten: Das Briefing. Dabei geht es mir nicht um Creative Briefs, sondern um die Briefings, die Agenturen von Kunden erhalten.

Das oben zitierte Briefing von Mick Jagger an Andy Warhol ist schriftlich und auch vom Entscheider selbst formuliert worden. Damit erfüllt es schon generelle Kriterien, die ein gutes Briefing ausmachen. Aber trotzdem ist es weit entfernt von dem, was wir uns als optimale Arbeitsgrundlage wünschen.

Damit hier kein falsches Bild entsteht: Viele Briefings sind heute gut durchdacht, spiegeln oft einen eingespielten gemeinsamen Arbeitsprozess wider und bilden eine perfekte Basis. Genau dadurch erkennen wir aber auch, wann diese Grundlage nicht optimal ist. Und wissen daher auch, was wir vermissen. So ergab die Online-Umfrage unter Plannern, was sie sich in Bezug auf Agenturbriefings wünschen:

1.     Klarheit und Stringenz
2.     Hintergrundwissen & Zusatzinformationen
3.     Persönlichen Dialog & einen gemeinsamen Prozess

Was zählt, sind Klarheit in Struktur und Denken.
Es geht nicht um das Ausfüllen von Formularkästen, sondern darum, die wesentlichen Elemente, die miteinander in Verbindung stehen, klar zu formulieren. Ein Briefing-Formular ist nur eine Denkhilfe, die die Aufgabenstellung strukturiert. (Wesentliche Elemente finden sich auf der GWA Checkliste „Briefing“, zu finden über die Website des GWA oder auch im Briefing-Kapitel im Buch „Brand Planning“, Schaefer-Poeschel, 201. Eine internationale Sicht auf das Thema bietet das IPA Institute of Practicioners in Advertising)

Wesentlich ist, dass am Ende alle Teile zueinander passen. „Einerseits – Andererseits-Briefings“ reflektieren zu viele Wünsche und mögliche Ziele, die realistischerweise nicht erfüllt werden können. Jeder Widerspruch verwirrt und verhindert sinnvolle Lösungen. Klare Ausgangslage, klare Ziele, klare Ansage: Wer weiß, wo er steht, kann überhaupt erst sagen, wo er hin will. Die ehrliche und offene Beschreibung der Ausgangslage lässt uns die Situation und das Businessproblem verstehen. Daraus abgeleitet stehen klare Ziele – und klar heißt dabei: eindeutig formuliert und priorisiert, soweit möglich auch quantifiziert. Also keine vage Forderung, dass das Image optimiert werden soll, sondern konkret: welche Facetten? Um wie viel Prozent? Und: wie wird die Zielerreichung überprüft?

Briefings sind mehr als ein ausgefülltes Formular.
„Briefing kommt zwar vom englischen „brief“ – also „kurz“ in der wörtlichen Übersetzung  - die Kürze steht allerdings nicht im Vordergrund. Wesentlich ist viel mehr, dass sich das Briefing auf den Kern der Aufgabe konzentriert. Was nicht heißt, dass Planner nicht gern zusätzliche Informationen und flankierende Daten haben - als Anhang, um darin zu stöbern. Zusätzliche Informationen sind eine optimale Ergänzung zum Briefing  - und können mehr sein als die verfügbaren Marktforschungsdaten. Nicht nur beim Launch von neuen Produkten ist ein multisensorisches Produkterlebnis hilfreich im Verständnis der Aufgabe und der Entwicklung von strategischen Konzepten. Nicht umsonst kursiert die Legende, dass Bartle Bogle Hagerty den Audi-Claim „Vorsprung durch Technik“ bei einem Fabrikbesuch auf einem internen Schild entdeckte. Die forscherische Neugier der Planner kann durch die unterschiedlichsten Formen gestillt werden – wie etwa Interviews mit Mitarbeitern verschiedenster Bereiche, die Teilnahme an laufenden Fokusgruppen oder die Besichtigung von Produktionsstätten.

Es ist der Start eines gemeinsamen Dialogs.
Das Briefing ist mehr als bedrucktes Papier. Was alle Planner in der Online-Befragung deutlich betonten, war die Relevanz des persönlichen Austauschs im Prozess. Der Dialog wird im optimalen Fall auch nach dem Briefing-Termin weitergeführt – mit einem Re-Briefing, bei dem deutlich wird, wie Planning und Agentur nach Reflektion darüber denken und welche Fragen noch offen sind. Oft werden dabei viele Fragen gestellt, was nicht Unwissenheit oder Denkfaulheit bedeuten muss, sondern vielmehr ein Zeichen der unvoreingenommenen Betrachtung und konstruktiven Auseinandersetzung ist. In einem Re-Briefing oder Schulterblick ist es sinnvoll, noch einmal gemeinsam erste Arbeitsansätze zu diskutieren. Für Strategen ist es optimal, wenn sie über den Tellerrand – hier also über die im Briefing formulierte Problematik – hinaus sehen dürfen, eine eigene Sichtweise dazu entwickeln und offen diskutieren können.

Ein Agenturbriefing muss kein Creative Brief sein.
Im Aufbau von Agenturbriefing und Creative Brief gibt es Parallelen. Aber ein Creative Brief ist fokussierter und gibt klarer eine  Route für die Lösung vor. Es ist das Destillat der strategischen Analyse und aller Überlegungen zum optimalen Weg, das definierte Ziel zu erreichen. Hier gilt nicht die Tiefe der Information, sondern die kondensierte Vermittlung inspirierender Ansatzpunkte für die kreative Lösung.

Das Agenturbriefing hingegen ist das Fundament mit Hintergrundwissen und Information für die strategische Arbeit. Es richtet sich an die gesamte Agentur und umfasst daher Fakten und Formalitäten, die ggf. für den Creative Brief völlig unwesentlich sind. Es braucht keine inspirierend formulierte Botschaft, sondern vor allem eine Schilderung von Problem und Herausforderung sowie eine klare Zielvorgabe. Viele Kunden definieren in ihrem Briefingformat möglicherweise eine Kernbotschaft. Das ist nett, aber nicht nötig. Besser: statt einer spitzen und finalen Botschaft lieber ein klares, zielgerichtetes und in sich schlüssiges Dokument, das Key Benefits, Produktdifferenzierung oder andere strategisch nutzbare Facetten beschreibt, die im Mittelpunkt stehen können. 

Das Briefing an die Agentur ist ein Startpunkt. Je besser das Briefing ist, desto einfacher wird es, darauf gute Lösungen zu entwickeln. Und wie der Hauptdarsteller in „Black Swan“, Vincent Cassel sagt: “Perfection is not just about control, it’s also about letting go! 


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