In meiner Tätigkeit als Vorstandssprecherin für die APG, den Verband der Marken- und Kommunikationsstrategen in Deutschland, habe ich gemeinsam mit meiner Vorstandskollegin Bärbel Boy den Start-Artikel für die "APG Strategy Corner" als einen kleinen Dialog verfasst. Damit startet ab dem 2. August unsere neue APG-Kolummne im Kommunikations-Branchentitel new business. Und zur besseren Füllung des Sommerlochs damit auch hier.
Das Prinzip Offenheit - oder haben wir wirklich die Wahl?
Von Bärbel Boy & Nina Rieke
Open Innovation, Creative Commons, Open Space... Offenheit ist heute ein gern genommenes Schlagwort für Unternehmen oder Marken. Aber was steht dahinter? Das Prinzip Offenheit ist mehr als ein Schlagwort, es ist einer der Gründe, warum mit dieser Ausgabe die „Strategy Corner“ der APG in der new business startet. Offenheit ist eine Tatsache, der wir uns nicht entziehen können. Die aktuelle Debatte um die Datenmacht und Sicherheit von Facebook zeigt es: Ob Marke, Agentur oder Planner – wer dem „Prinzip Offenheit“ nicht folgt, findet am Ende nicht statt. Richtige Entscheidung oder Holzweg – das diskutieren zwei Planner im Dialog. Denn wer A sagt, muss auch B zuhören.
Offenheit ist keine Option.
A: Offenheit ist keine Option. Sondern ein alltäglicher Zwang, ohne den nichts mehr geht. Marken und Agenturen twittern was das Zeug hält, sind auf Facebook und publizieren ihren eigenen Blog. Im ständigen Austausch mit dem Konsumenten wird kontinuierlich versucht Offenheit zu zeigen und zu leben.
B: Was für eine Offenheit ist das? Werden da tatsächlich „Black Boxes“ geöffnet, Einblicke gewährt? Geht es den Bloggern noch darum, gehört, empfangen, gelesen zu werden? Oder ist da vielmehr die Freude am „Senden“, an der Selbstäußerung an sich das treibende Moment? Und vor Allem: Geht es den Bloggern, Zwitscherern und Social-Networkern um die Herstellung von Transparenz?
A: Die „Post-Ökotest-Leser-Generation“ glaubt an Transparenz im Social Net. Pioniere wie Frosta haben diesem Glauben Recht gegeben. Haben vorgemacht, wie Offenheit zu einer neuen Beziehungsqualität zwischen Marke und Kunden führen kann.
B: Aber die Forderung nach im Grunde institutionalisierter Offenheit ist immer in Gefahr umzuschlagen, einem ständigen Zwang Aussagen zu produzieren zu verfallen. Und das birgt zwei Probleme: 1. erodiert die Substanz der Inhalte und 2. wird eine Schein-Offenheit praktiziert, die fehlende Inhalte überdeckt. Das Gegenteil zum „beredten Schweigen“.
A: Offenheit entsteht nicht durch die Bespielung eines Medienkanales. Institutionalisierte Offenheit gibt es nicht. Eine erfolgsversprechende Strategie im Umgang mit der Dialoggruppe ist Offenheit nur, wenn jenseits der medialen Möglichkeiten eine Unternehmenshaltung besteht, die sich dann im substanziellen und authentischen Umgang mit dem Social Net ausdrückt.
B: Das heißt, es ist gar nicht die Versiertheit im Umgang mit dem Social Net, auch nicht die Fähigkeit, substanziellen Content zu produzieren, oder die Ressourcenausstattung, um schnell und ständig zu kommunizieren, die Unternehmen im Social Web erfolgreich machen. Sondern es ist die Unternehmenskultur, die dahinter steht. Sollte das Social Web etwa das Medium sein, das den Weg zu mehr Wahrhaftigkeit bereitet?
Offenheit als Prinzip des Beziehungsverständnisses.
A: Es gibt Beispiele, wo Offenheit heute - im Austausch mit den Kunden – erfolgreich gelebt wird. Die twitternde „Twelp-Force“ von best buy hat dafür den Titanium Lion bekommen. Marke und Verbraucher schaffen eine neue Beziehungsqualität: Die direkte Kommunikation und die Promptheit der Reaktion machen auch die Beziehung direkter erfahrbar. Marke und Verbraucher gewinnen Augenhöhe durch die Möglichkeit des direkten Austauschs. Und sie gewinnen Zeit und Effizienz – z.B. durch schnelleres Feedback in der Service-Einheit eines Unternehmens.
B: Da wird der Kunde wieder zum mündigen Gegenüber. Insofern ist Offenheit für die Markenführung eine Form der Wertschätzung gegenüber der allgegenwärtigen Beute aller Kommunikationsfeldzüge: dem potentiellen Konsumenten. Offenheit ergänzt das Beziehungverständnis zwischen Marke und Verbraucher: Es wird nicht mehr einseitig Vertrauen vom Verbraucher gefordert. Die offene Kommunikation setzt auch Vertrauen in die Treue des Verbrauchers voraus.
A: Das aber schafft nur der, der wirklich konsequent offen in den Dialog einsteigt - nicht nur alibimäßig als PR-Stunt.
B: Denn Offenheit heißt auch, dass Fehler schneller sichtbar werden. Das eigene Denken und Verhalten steht unter ständiger Beobachtung. Die Marke wird angreifbarer.
A: Das Prinzip Offenheit wird die Markenführung verändern. Die handelnden und sprechenden Personen hinter der Marke werden sichtbarer. Die Übereinstimmung zwischen Markenwerten und den für die Marke stehenden Mitarbeitern ist schon heute eine Anforderung, der sich Unternehmen im Sinne des „Behavioral Brandings“ stellen müssen.
Offenheit braucht Ethik.
A: Ein schönes Beispiel dafür gab BP. Diese Botschaft erschien bei Twitter: „Wir beten dafür, dass das Land vergesslich ist und wir Tag für Tag mehr Geld verdienen.“ Gesendet wurde sie Mitte Juni vom Account der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Energiekonzerns BP. Was nicht erkennbar war: der Account war gefälscht, im Namen von BP twitterte ein Zyniker schädigende Botschaften. (zitiert aus dem Tagesspiegel vom 24.6.)
B: Offenheit ist eben nicht die Möglichkeit der Äußerung an sich. Und die im Moment interpretierte Kultur der Offenheit ist nichts anderes, als der Zugang von jedermann zu Öffentlichkeit. Wenn Offenheit nicht substanziell gelebt wird, geht sie an der Notwendigkeit sich mit immer mehr Offenheit gegen die Veröffentlichung zu schützen zugrunde. Und das gerät zu einem Äußerungsduell.
Sind wir, was wir festhalten? Oder das, was wir abgeben?
A: Das Prinzip Offenheit braucht Substanz und eine eigene Ethik: die des Teilens. Offenheit ist eine Frage der persönlichen und der Unternehmenskultur. Betrachten wir uns selbst: Wie wird Offenheit in Agenturen heute erfolgreich gelebt? Ist sie nur ein Lippenbekenntnis oder ein verinnerlichtes Arbeitsprinzip?
B: Früher haben wir versucht, unsere Tools und Präsentationen möglichst lang für uns zu behalten. Bloß kein Hoheitswissen sollte die Agentur verlassen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Wissen ist heute keine Insel mehr – Offenheit und Wissensteilung sorgen für Aufmerksamkeit. Interdisziplinäre Teams, mehr Offenheit in Agenturen für Andersdenker, open innovation, open teams und am Ende gar neue Arbeitsmodelle und Strukturen? Wer nicht offen ist für neue Arbeitsstrukturen, der wird das Nachsehen haben.
A: Offenheit bedeutet aber auch, offen zu sein für’s Scheitern. Und daraus zu lernen. Es besser zu machen. Dem Prinzip „immer in Beta“ zu folgen. Das bestimmt auch die Arbeit der APG als Verband der Marken- und Kommunikations-Strategen. Nur im offenen Austausch mit anderen Disziplinen können wir relevante Arbeit leisten. Das leben wir mit Veranstaltungen wie der jährlichen Open Source, den Planner Lounges oder dem barcamp im August.
Offenheit macht Sinn – wenn sie Substanz hat!
B: Unter diesem Motto starten wir als Verband die Strategy Corner. Offen für Dialog und Kritik, neue Gedanken und letztlich sehnsüchtig nach substanziellem Diskurs. Offen für Feedback und Ideen von allen die mit uns über das Thema Strategie & Planning diskutieren wollen.
Weiterführende Links zum Artikel und zu einer offenen Diskussion:
Von Bärbel Boy & Nina Rieke
Open Innovation, Creative Commons, Open Space... Offenheit ist heute ein gern genommenes Schlagwort für Unternehmen oder Marken. Aber was steht dahinter? Das Prinzip Offenheit ist mehr als ein Schlagwort, es ist einer der Gründe, warum mit dieser Ausgabe die „Strategy Corner“ der APG in der new business startet. Offenheit ist eine Tatsache, der wir uns nicht entziehen können. Die aktuelle Debatte um die Datenmacht und Sicherheit von Facebook zeigt es: Ob Marke, Agentur oder Planner – wer dem „Prinzip Offenheit“ nicht folgt, findet am Ende nicht statt. Richtige Entscheidung oder Holzweg – das diskutieren zwei Planner im Dialog. Denn wer A sagt, muss auch B zuhören.
Offenheit ist keine Option.
A: Offenheit ist keine Option. Sondern ein alltäglicher Zwang, ohne den nichts mehr geht. Marken und Agenturen twittern was das Zeug hält, sind auf Facebook und publizieren ihren eigenen Blog. Im ständigen Austausch mit dem Konsumenten wird kontinuierlich versucht Offenheit zu zeigen und zu leben.
B: Was für eine Offenheit ist das? Werden da tatsächlich „Black Boxes“ geöffnet, Einblicke gewährt? Geht es den Bloggern noch darum, gehört, empfangen, gelesen zu werden? Oder ist da vielmehr die Freude am „Senden“, an der Selbstäußerung an sich das treibende Moment? Und vor Allem: Geht es den Bloggern, Zwitscherern und Social-Networkern um die Herstellung von Transparenz?
A: Die „Post-Ökotest-Leser-Generation“ glaubt an Transparenz im Social Net. Pioniere wie Frosta haben diesem Glauben Recht gegeben. Haben vorgemacht, wie Offenheit zu einer neuen Beziehungsqualität zwischen Marke und Kunden führen kann.
B: Aber die Forderung nach im Grunde institutionalisierter Offenheit ist immer in Gefahr umzuschlagen, einem ständigen Zwang Aussagen zu produzieren zu verfallen. Und das birgt zwei Probleme: 1. erodiert die Substanz der Inhalte und 2. wird eine Schein-Offenheit praktiziert, die fehlende Inhalte überdeckt. Das Gegenteil zum „beredten Schweigen“.
A: Offenheit entsteht nicht durch die Bespielung eines Medienkanales. Institutionalisierte Offenheit gibt es nicht. Eine erfolgsversprechende Strategie im Umgang mit der Dialoggruppe ist Offenheit nur, wenn jenseits der medialen Möglichkeiten eine Unternehmenshaltung besteht, die sich dann im substanziellen und authentischen Umgang mit dem Social Net ausdrückt.
B: Das heißt, es ist gar nicht die Versiertheit im Umgang mit dem Social Net, auch nicht die Fähigkeit, substanziellen Content zu produzieren, oder die Ressourcenausstattung, um schnell und ständig zu kommunizieren, die Unternehmen im Social Web erfolgreich machen. Sondern es ist die Unternehmenskultur, die dahinter steht. Sollte das Social Web etwa das Medium sein, das den Weg zu mehr Wahrhaftigkeit bereitet?
Offenheit als Prinzip des Beziehungsverständnisses.
A: Es gibt Beispiele, wo Offenheit heute - im Austausch mit den Kunden – erfolgreich gelebt wird. Die twitternde „Twelp-Force“ von best buy hat dafür den Titanium Lion bekommen. Marke und Verbraucher schaffen eine neue Beziehungsqualität: Die direkte Kommunikation und die Promptheit der Reaktion machen auch die Beziehung direkter erfahrbar. Marke und Verbraucher gewinnen Augenhöhe durch die Möglichkeit des direkten Austauschs. Und sie gewinnen Zeit und Effizienz – z.B. durch schnelleres Feedback in der Service-Einheit eines Unternehmens.
B: Da wird der Kunde wieder zum mündigen Gegenüber. Insofern ist Offenheit für die Markenführung eine Form der Wertschätzung gegenüber der allgegenwärtigen Beute aller Kommunikationsfeldzüge: dem potentiellen Konsumenten. Offenheit ergänzt das Beziehungverständnis zwischen Marke und Verbraucher: Es wird nicht mehr einseitig Vertrauen vom Verbraucher gefordert. Die offene Kommunikation setzt auch Vertrauen in die Treue des Verbrauchers voraus.
A: Das aber schafft nur der, der wirklich konsequent offen in den Dialog einsteigt - nicht nur alibimäßig als PR-Stunt.
B: Denn Offenheit heißt auch, dass Fehler schneller sichtbar werden. Das eigene Denken und Verhalten steht unter ständiger Beobachtung. Die Marke wird angreifbarer.
A: Das Prinzip Offenheit wird die Markenführung verändern. Die handelnden und sprechenden Personen hinter der Marke werden sichtbarer. Die Übereinstimmung zwischen Markenwerten und den für die Marke stehenden Mitarbeitern ist schon heute eine Anforderung, der sich Unternehmen im Sinne des „Behavioral Brandings“ stellen müssen.
Offenheit braucht Ethik.
A: Ein schönes Beispiel dafür gab BP. Diese Botschaft erschien bei Twitter: „Wir beten dafür, dass das Land vergesslich ist und wir Tag für Tag mehr Geld verdienen.“ Gesendet wurde sie Mitte Juni vom Account der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Energiekonzerns BP. Was nicht erkennbar war: der Account war gefälscht, im Namen von BP twitterte ein Zyniker schädigende Botschaften. (zitiert aus dem Tagesspiegel vom 24.6.)
B: Offenheit ist eben nicht die Möglichkeit der Äußerung an sich. Und die im Moment interpretierte Kultur der Offenheit ist nichts anderes, als der Zugang von jedermann zu Öffentlichkeit. Wenn Offenheit nicht substanziell gelebt wird, geht sie an der Notwendigkeit sich mit immer mehr Offenheit gegen die Veröffentlichung zu schützen zugrunde. Und das gerät zu einem Äußerungsduell.
Sind wir, was wir festhalten? Oder das, was wir abgeben?
A: Das Prinzip Offenheit braucht Substanz und eine eigene Ethik: die des Teilens. Offenheit ist eine Frage der persönlichen und der Unternehmenskultur. Betrachten wir uns selbst: Wie wird Offenheit in Agenturen heute erfolgreich gelebt? Ist sie nur ein Lippenbekenntnis oder ein verinnerlichtes Arbeitsprinzip?
B: Früher haben wir versucht, unsere Tools und Präsentationen möglichst lang für uns zu behalten. Bloß kein Hoheitswissen sollte die Agentur verlassen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Wissen ist heute keine Insel mehr – Offenheit und Wissensteilung sorgen für Aufmerksamkeit. Interdisziplinäre Teams, mehr Offenheit in Agenturen für Andersdenker, open innovation, open teams und am Ende gar neue Arbeitsmodelle und Strukturen? Wer nicht offen ist für neue Arbeitsstrukturen, der wird das Nachsehen haben.
A: Offenheit bedeutet aber auch, offen zu sein für’s Scheitern. Und daraus zu lernen. Es besser zu machen. Dem Prinzip „immer in Beta“ zu folgen. Das bestimmt auch die Arbeit der APG als Verband der Marken- und Kommunikations-Strategen. Nur im offenen Austausch mit anderen Disziplinen können wir relevante Arbeit leisten. Das leben wir mit Veranstaltungen wie der jährlichen Open Source, den Planner Lounges oder dem barcamp im August.
Offenheit macht Sinn – wenn sie Substanz hat!
B: Unter diesem Motto starten wir als Verband die Strategy Corner. Offen für Dialog und Kritik, neue Gedanken und letztlich sehnsüchtig nach substanziellem Diskurs. Offen für Feedback und Ideen von allen die mit uns über das Thema Strategie & Planning diskutieren wollen.
Weiterführende Links zum Artikel und zu einer offenen Diskussion:
- Zur APG, dem Verband der Marken- und Kommunikations-Strategen.
- Likemind Frühstück zum Austausch mit Gleichgesinnten – kommt aus den USA - u.a. auch in Hamburg
- Offenes Expertenwissen: Das Buch „oh my god what happend and what should I do?“, ganz einfach mit „Pay with a click“ vertrieben
- „Die neue Offenheit“ im Tagesspiegel
- Die „Zuckerberg Law“ und Facebook in der FAZ
- Behavioral Branding: Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt, Herausgeber Torsten Tomcak, Joachim Kernstock, Franz-Rudolf Esch, Andreas Hermann.
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