Saturday, December 26, 2009

Mein Jahr mit Social Media.








Mein Erlebnis von einem Jahr und wie es für mich war: 12 Monate Selbstexperiment mit Social Media. Im vergangenen Winter hab ich entschieden, alle verfügbaren Kanäle auszuprobieren und mir endlich mehr als die businessrelevanten Profile auf Xing oder LinkedIn zuzulegen – ich hab getwittert, gefacebooked und mir einen Blog zugelegt. Um mir ein Bild davon zu machen, was es ist. Was es kann. Wie es sich anfühlt. Und auch, was es mir persönlich bringt. Es war vor allem reichhaltig und ich kann hier nur eine kurze Essenz wiedergeben.


1. Unglaublich viel Neues gelernt.

Über neue Techniken. Über die Möglichkeiten, die sie bieten. Aber auch über die Zeit, die sie auffressen. Und darüber mein gesamtes Media-Verhalten verändern und mein Zeitbudget neu aufteilen. Ich habe viel Zeit beim Recherchieren investiert – aber dabei viel gelernt. Inhaltlich. Technisch. Über mich und mein Tun. Über das, was andere denken. Wie Marken und Menschen sich darstellen. Was sinnvoll und sinnlos ist. Ich kann heute besser verstehen, wie und wo Social Media für Menschen und Marken Sinn macht. Ich kann auch besser verstehen, das es unterschiedliche Nutzertypen auch hier gibt – und ich sicher nur einer bin, der nicht prototypisch für alle ist. Am Ende des Jahres steht ich eher auf der Seite von Sascha Lobo als von Herrn Schirrmacher.


2. „Friends & Followers“ neu interpretiert. On- und offline.

Alte Kontakte neu belebt. Neue Kontakte über gemeinsame berufliche Themen geknüpft – wobei es spannend ist, welche Kreise ein eigener kleiner Blog zieht. Am weitesten weg sind meine brasilianischen und schwedischen Planner-Kollegen – mit denen ich mich zum Thema Strategie austausche: Sichtweisen, Informationen, Studien oder Cases und Links aller Art. Das gilt auch für die Twitterer, denen ich folge – wenn der Content gut ist, bleibe ich bei ihnen – sonst wird der „unfollow“ Button geklickt. Facebook hat mir dieses Jahr als virtuelle Bürokaffeeküche die Möglichkeit für Klatsch fast in Echtzeit geboten. Einige Online-Kontakte sind im echten Leben aufgetaucht. Wir hatten sofort gemeinsame Themen und Dialoge, die wir weitergeführen konnten. Viele Leute treffe ich beim monatlichen likemind-Frühstück. Als Sahnehäubchen sind aus losen neuen Kontakten spannende echte Projekte geworden. So wie Alan Moore von Canvas8 in seinem aktuellen Report und Blogbeitrag dazu von einer blended reality spricht, hab auch ich den Eindruck, das Social Media ein normaler Bestandteil des Lebens geworden ist. Es geht nicht um die Technik - sondern um das, was ich - und ganz viele andere Menschen - damit machen können.


3. Teilen macht manche Ideen besser und größer. Und eigene Gedanken klarer.

Mit Twitter, Slideshare und meinem Google Reader, der regelmäßig spannende blog feeds abonniert, bin ich noch schneller über Studien und interessante Fakten gestolpert. Gezieltes Suchen nach Fakten und Infos ist noch leichter geworden. Ich bin in diesem Jahr einmal mehr ein Fan von „creative commons“ geworden – von der Möglichkeit, das geteilte Fakten, Informationen, Präsentationen und Gedanken besser sind als der Wunsch nach Hoheitswissen. Die guten Gedanken setzen sich fort und damit (hoffentlich) durch. Frei nach dem T.S. Elliot Gedanken „talent imitates, genious steals.“.

Meine Gedanken für meinen Blog zu sortieren und aufzuschreiben zeigt mir, was ich denke und wie ich arbeite. Es justiert meine Perspektive, schärft meinen Blick. Mir wird deutlich, welche Themen und Thesen für mich und meine Arbeit stehen. Mit direktem Rückkanal. Zu wissen, das es über 100 Leute gibt, die regelmäßig meinen Blog lesen und in Teilen auch intelligent kommentieren, war ein Ansporn, damit weiter zu machen. Die Rückmeldungen eröffnen jede Menge Möglichkeiten zum direkten weiteren Austausch.


Blog Leser und ihre "Top Ten" Beiträge - guter Indikator, wozu ich vielleicht mehr schreibe. Wie Insight Mining - ob es an der Referenz in der W&V lag?


4. Ein Profil braucht Profilierung – und zwar ständig.

Besonders für kleine Unternehmen oder Freiberufler bietet Social Media alle Möglichkeiten, sich darzustellen – aber stellt auch Ansprüche. Wer nicht prominent ist, muss zumindest interessant sein mit dem was er bloggt oder per Twitter postet. Und zwar kontinuierlich. Das heisst: ständig darüber nachdenken, was es mitteilenswertes zu berichten gibt. Mit einer klaren Vision davon, was für ein Profil man sich aufbauen möchte - bei all seinen Facebook-Friends. Und Twitter-Followern. Das ist manchmal ganz schön anstrengend. Und in manchen Wochen oder Monaten hatte ich weder die Zeit für einen geistreichen Blogbeitrag oder beständige tägliche intelligente Twitter-Statements. Da bin ich dann vielleicht doch irgendwie ein bisschen erschöpft und überfordert wie Herr Schirrmacher.



5. Ein kleines Licht von vielen. Aber es glüht.

Ein Jahr mit Social Media hat mir viel Spaß gemacht. Das schöne am Internet sind die vielen verfügbaren Daten und Statistiken. So lässt sich unglaublich gut Monitoring zum eigenen Online-Verhalten und zur Akzeptanz dessen, was wir tun, generieren. Wenn ich auf meine kleine statistische Sammlung blicke, dann bin ich auch ein bisschen stolz. Das es Menschen gibt, die meinen blog lesenswert finden. Die meine Twitter-Meldungen weiterzwitschern. Mich auf Facebook mit Kommentaren zum Lachen bringen. Auch wenn mir Klout sagt, das ich bei Twitter total „casual“ und „of no influence“ bin.


Für mich war es ein tolles Jahr. Mir ist klar: ich bin ein ganz kleines Nümmerchen im Hantieren mit den digitalen Möglichkeiten. Da gibt’s ganz andere, die da längst Profis sind - und ihren guten Blognamen dann meistbietend verkaufen können. Da kann ich noch viel lernen - zum Beispiel von Kristof, dem NYTimes Journalisten, der seine Facebook Fanpage auf brilliante Art nutzt. Aber so wie bei Klout oder meiner Blog-Statistik zeigt für mich der Pfeil nach oben. Nicht nur statistisch - sondern einfach, weil es viel Spaß gemacht hat. Und es mir wie Grant McCracken geht, der Social Media in seinem Blog diesen Monat als "Once wild, now tame" beschreibt. Wir haben es domestiziert und ins Leben integriert - es ist ziemlich unaufregend für viele von uns geworden. Ich freu mich auf das nächste Jahr und bin gespannt, wie sie wird - meine "blended reality".



Für alle, die noch mehr an Statistik zum Thema wollen - Erik Qualmann hat im Sommer in seinem Blog noch eine nette Präsentation mit Facts veröffentlicht. Mitreissend und informativ für all die, die keine Mediajunkies sind...auch wenn hier sicher gilt: Fakten nicht alle ungeprüft glauben ;-)




2 comments:

  1. Ich kann vielen Punkten nur zustimmen.

    Menschen, denen ich Anfang des Jahres "gefolgt" bin habe ich inzwischen zum Teil persönlich kennen gelernt, mit ihnen diskutiert und Ideen gesponnen.

    Mein Praktikum im Planning habe ich zum großen Teil wohl Twitter oder eben dem was ich damit gemacht habe - Inhalte zu kommentieren und Gedanken "laut" zu denken - zu verdanken.

    Die Art und Weise wie ich lerne, Inhalte sammle, organisiere und teile hat sich durch die Möglichkeiten die sich bieten massiv verändert. Und verändern sich weiterhin. War mein RSS Feed zu Beginn des Jahres der Ausgangspunkt meiner täglichen Lesereise, so hat das iPhone den favorite-Button in Tweetdeck mehr in den Vordergrund gerückt.

    Es gab aber auch Frustration, weil auf den unterschiedlichen Plattformen einfach viele unterschiedliche Nutzungsformen und Motive zusammenprallen. Meinen engen Freunden geht es auf die Nerven, wenn ich auf Facebook "fachliches" poste. Ich wiederum habe aber durch den Freundschafts-Begriff Probleme, Blogger oder Planner die ich interessante finde auf Facebook zu adden. Meine Follower nervt es, wenn ich zu persönlich, zu deutsch, oder zu viel Re-tweete. Ich wiederum möchte nicht, wie es Michael nennt, nur Kopf-Twittern. Eben nicht darüber nachdenken ob etwas gerade zu meinem "Profil" passt.

    Fazit: Es ist nach wie vor toll, dieses "Internet". Von "tame" bin ich also gefühlsmäßig noch etwas entfernt. Dazu ist oder war - bei mir - das alles noch zu viel in Bewegung.

    ReplyDelete
  2. Diese offene Mentalität ist in meinen Augen genau das, was vielen Werbern heute leider noch fehlt. Vor allem als Planner kann man es sich nicht leisten, sich selbst vor all dem zu verschließen. Nicht wenn man den Kunden verstehen möchte.

    Und der Lernprozess - der ja selbst bei Leuten wie mir, die in die neue Generation hineingeboren wurden, ständig stattfindet - führt nicht nur zu einem echten Mehrwert im eigenen Alltag sondern auch zu besseren Resultaten bei der Arbeit.

    Zu Thomas Wagner: Die unterschiedlichen Interessenslagen der Bezugsgruppen sind derzeit auch mein Hauptproblem, genau so wie du sagst. Inzwischen gibt es ja schon Tools die es einem einfacher machen mehrere Twitter Accounts zu managen (z.B. Silentale), aber das kann auf lange Sicht nicht die Lösung sein.

    Ich bin gespannt was 2010 in dieser Hinsicht bringen wird!

    ReplyDelete