Wednesday, October 21, 2009

Was weckt unser Interesse? 7 Wege, Relevanz zu schaffen.

Image courtesy of MadRussianPhotography

Neulich hab ich gelesen, das Konsumenten jetzt Katzen und nicht mehr wie bisher, Hunde sind. Aha. Hunde also. Es ging wohl um die sinkenden Möglichkeiten der Konditionierung. Und wie wir alle wissen lassen: Katzen sind schwerer zu konditionieren als Hunde. Und machen, was ihnen passt. Da gibt es wohl Übereinstimmungen. Trotzdem: ich möchte persönlich als Mensch angesprochen werden. Und mit Dingen, die mich interessieren.
Das „Interesting“ das Schlüsselwort ist, erscheint logisch. Warum soll ich etwas uninteressantes lesen oder betrachten? Aber was genau macht Dinge, auch Werbung, eigentlich interessant?

WAS IST HEUTE INTERESSANT?
Viele aktuelle Kampagnen-Beispiele zeigen, was Menschen interessiert. Und sie nicht katzenhaft drüber hinweg gehen lässt. Für ein Podium zur „Zukunft der Werbung“ hab ich neulich auf einen ganzen Haufen dieser gehypten und prämierten Kampagnen geschaut, um nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Was machen die, was anderen vielleicht fehlt?

Was war dabei in der Betrachtung? Natürlich der allseits gerühmte „The best Job in the World“ Case. Insgesamt Dinge, die unter Plannern und Kreativen weit oben rangieren – und dafür auch schon Strategie-Awards bekommen haben ( z.B. bei den Jay Chiat Awards , den englischen APG Awards oder den internationalen Effies.)

Die „Prescribe the Nation“ Kampagne von BBH zum Beispiel. Sie baut auf eine komplett neue Mediastrategie auf. Und mit „Word of mouth“ beschreitet sie einen sehr „organischen“ und nur begrenzt steuerbaren Weg.

vaseline prescribe the nation CASE STUDY from craig smith on Vimeo.




Viel spannender ist Kommunikation, die gar nicht als solche konzipiert wurde – sondern als Produkt. Wie z.B. bylaurenluke – wo die Kommunikation eher Initialzündung für das Produkt war – nämlich die YouTube Schminktipps, die Lauren Luke gibt. Oder Nike+, die Produktplattform, die zu einer deutlich intensiveren Markenbindung von Läufer und Marke führt, als jede Kampagne allein das könnte.

Image courtesy of S.Stäuber/ Morethanadvertising.


WAS MACHT DIESE BEISPIELE SO INTERESSANT?
Es lässt sich dabei einiges erkennen, was anders gestrickt ist, als die alten Hundemechaniken. Sie alle folgen bestimmten Prinzipien - nicht alle auf einen Schlag, aber die meisten spannenden Sachen bauen zumindest auf einen der folgenden Punkte auf. Die darauf abzielen, etwas für und mit Menschen zu machen. Und so mehr Relevanz schaffen. Prinzipien, die Dinge interessant macht für Menschen. Ein Produkt, eine Marke oder eine Business Idee. Und Werbung und Kommunikation.


Image: courtesy of dunechaser

1. ERLEBNIS. INSPIRATION. SPIELERISCH SEIN.
Z.B. der „Routan Babymaker 3000“ von VW. Super Erlebnis, was für Babies man alles zaubern kann mit dem richtigen Partner. Eigentlich geht’s aber um den Minivan – der sich damit sympathisch in Szene setzt. (Leider läuft die Kampagne nicht mehr....)
Das Hornbach-Haus ist eins der wenigen deutschen Beispiele, dafür gleich in 3D. Hier kann ich etwas Ungewöhnliches in 3D sehen und mit allen Sinnen erleben.
Erlebniswert ist das mindeste, um Menschen dazu zu bringen, darüber zu reden – und über WOM mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen.

2. NUTZEN. HILFREICH SEIN. DAS LEBEN EINFACHER MACHEN.
Etwas wirklich Nützliches zu bieten. Wie viele iphone Apps es immer wieder zeigen. Oder mint.com als neuartiges Banking-Angebot. Wie es z.B. die „Twelp Force“ von Best Buy macht. Eine Option, mit dem Elektronikhändler meines Vertrauens in direkten Austausch zu treten.
Dazu gehört auch, sich einem relevanten Thema anzunehmen: z.B. wie Häagen-Dazs es mit „Where my bees at“ zeigt.


3. GEBEN. GROSSZÜGIG SEIN. TEILEN.
Freizügig etwas geben. Nicht in Form von Coupons, die zum Kauf anreizen. Sondern als Geschenk. Kostenlose sinnvolle iphone Apps zum Beispiel. Oder die kostenlosen Downloads des Coldplay Live Albums. Live Streams von Konzerten etc. gehören genau so dazu – und erfüllen dazu die Kriterien der „Erlebnis“-Kategorie. Monetär großzügig ist die von IDEO entwickelte „Keep the change“ Idee für Bank of America. Bewegungen wie „Guerilla Gardening“ geben der Stadt ein grünes Gesicht, wo es sonst grau und hässlich wäre. Auch, wenn hier eine freie Bewegung, und kein Markenabsender ist: von kulturellen Phänomenen lässt sich einiges lernen in Bezug auf relevantes Handeln.



4. OFFEN. TRANSPARENT. ERREICHBAR SEIN. DIALOG SCHAFFEN.
Transparenz und Offenheit spiegelt sich in vielen Kommunikationsmaßnahmen, die social media einsetzen. Wie die BestBuy Twitter Mitarbeiter der twelp force. Die Obama-Kampagne, als recht abgenutztes Beispiel, ist das prominenteste. Wie zahlreiche andere Marken es auf Twitter und anderen Kanälen erfolgreich beweisen (Zappos, jetblue etc.)

5. ECHT. EHRLICH. AUTHENTISCH. WAHR.
Eine Wahrheit zu treffen, mit dem, was kommuniziert wird. Echte Kunden sprechen lassen über ein Produkt – wie beim Fiesta-Movement. Oder in der Vaseline-Prescribe the nation-Kampagne. Das erscheint zumindest glaubwürdiger als Hochglanzanzeigen.



6. FÜR MICH.INDIVIDUELL. PERSÖNLICH.
Persönlich nicht im Sinne eines personalisierten Mailings. Sondern im Sinne der „me-conomy“. Das Gefühl, das es um mich geht. Dabei gleichzeitig an die Möglichkeiten, (sich mit) zu teilen, denken. Auch hier sind Produkte oft schon weiter als die Kommunikation: YouTube – Broadcast yourself. Facebook. Flickr. Oder Nike+ – da geht es um mich und mein persölichen Lauf. Aber auch Produkte im Printbereich – wie z.B. Moo.com, die personalisierte Business Karten mit einer vielzahl von Gestaltungsmögichkeiten anbieten. Ähnlich ist Blurb Books, wo jeder sein eigner Verleger wird, sein persönliches Buch machen kann.

7. KOLLABORATION. GEMEINSCHAFTLICH. ZUHÖREN, LERNEN, VERBESSERN.
Kulturelle Phänomene zeigen es: #barcamps, die ganz anders als herkömmliche Konferenzen aufgebaut sind. Veranstaltungen wie pecha kucha, bei denen in vielen Städten Menschen zu den ungewöhnlichsten Themen sprechen. Gemeinschaftlich etwas zu schaffen, zu erleben und dabei zu lernen wird immer wichtiger. In Deutschland klingt das Ganze schnell irgendwie muffig - ist aber im Prinzip genau die Idee der Kunden-Kollaboration: HessNatur Home Parties - auf denen Kunden nach dem Tupperware-Prinzip die Marke und die Produkte vorstellen, mit Freunden ausprobieren und bewerten - und so auch Feedback über die Produkte an das Unternehmen geben sollen. Crowdsourcing zu nutzen, scheint ein attraktiver Gedanke: um Produkte zu schaffen, zu verbessern oder einfach nur Kampagnen zu entwickeln. Lego macht das schon eine ganze Weile - z.B. mit designbyme. Unilever hat es grad mit Peperami in England gemacht. Die Bild-Kampagne ist ein aktuelles Beispiel (das allerdings auch deutlich die kreativen Limits zeigt). Die Liste der Crowdsourcer ist unglaublich lang: dell ideastorm, mystarbucks idea, auch Tchibo hat was ähnliches. Eine ganze Sammlung von Crowdsourcing-Ideas - Corporate und auch darüber hinaus - findet sich hier.



Was fallen euch noch für Beispiele ein? Und: fehlen noch Prinzipien, um Produkte, Marken, Kommunikation innovativ und interessant zu machen? Und ich hab mich in der Recherche gefragt: braucht "sowas" immer eine technische Platform, sind diese Prinzipien wirklich so stark an die Online-Welt gekoppelt? Liegt das einfach daran, das sich unser Medienverhalten so stark geändert hat? Oder einfach daran, das alle (kommunikativen) Innovationen heute scheinbar technikbasiert sind? Ich freu mich auf eine spannende Diskussion, Kommentare und Input!

3 comments:

  1. Spannender Artikel. Vielen Dank. Ich bin deiner Meinung. Ich glaube allerdings nicht, dass relevante Kommunikation immer an eine Online- Plattform gebunden sein muss.

    Natürlich wird das Internet zur permanenten Interaktionsebene für unser Leben. Die Grenze zwischen On und Offline wird praktisch unfühlbar werden (Zumindest solange die Akkus halten:-)).

    Aber dein Beispiel von IDEO zeigt auch, dass es weniger um Digitaltechnik, als um "Human Centered Design" geht. Also die Kunst Bedeutungen, Erlebnisse und Applikationen zu schaffen, die das Leben von Menschen ein klitzekleines Bischen bereichern. Es wird darum gehen Dinge zu erfinden, mit denen sich zu beschäftigen, Menschen Spaß macht oder einen Nutzen bringt.

    Noch scheint diese Form von "Design Thinking" (Noch ein IDEO-Buzzword. Sorry) bei den "Onlinern" in Agenturen am verbreitesten zu sein. Meine These: Sie haben früher gelernt, auch in Kategorien wie Usability und Interaktivität zu denken, damit ihre Arbeit auch genutzt wird.

    Die Anhänger des "Cat/Dog Centered Design" laufen hingegen Gefahr in den bewährten Knochen zu denken, die man blind in die Landschaft streut.

    Vielleicht brauchen wir mehr "Design Thinker" , die die Grenzen von Werbung, PR, Design, Technologie....überwinden, um relevante Ideen zu entwickeln.

    Wie sagte Simon Penstridge, der britische Marketing Chef von Nike, neulich: "We don't do advertising. We just do cool stuff."

    Das glaube ich ihm zwar nicht ganz.
    Aber als Credo finde ich es sehr schön.

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  2. @Christian: ich hoffe sehr, das wir viel interdisziplinärer arbeiten werden. Und viel voneinander lernen. Auffassungen über Design. Technische Möglichkeiten. All das hört sich für mich nach vielen neuen Dingen an, die es zu lernen gilt. Für manch einen vielleicht keine so schöne Vorstellung. Für mich schon!

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  3. Hallo, vielen Dank für den anregenden Text. Interessant könnte es eventuell auch sein, die Themen Relevanz und Technologie mehr miteinander zu verbinden und über ihre Relation nachzudenken. Die R/GA-Leute um Bob Greenberg messen der Technologie neue Bedeutung zu und behandeln sie nicht mehr als Black Box, sondern als Teil des Kreativprozesses. Das verändert, wie Warren Berger beschreibt, den gesamten Prozess der Produktion von relevanter Kommunikation einschließlich der Autopoiesis der Kommunikationsbranche.

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