Monday, December 30, 2013

Gute Vorsätze nicht nur für 2014.

Oder warum wir das Ganze, nicht nur einzelne Teile bewerten sollten.
Ein Plädoyer für eine andere Sichtweise auf Effektivität und Kreativität.


„Creativity is the most powerful force in business.“
B. Bernbach

Die Richtigkeit dieser Aussage täglich zu beweisen, danach streben wir mit unserer Arbeit. Wir nehmen es sportlich, wenn Kunden testen, prüfen, zählen. Auch, indem wir gemeinsam unsere Arbeit überprüfen und sehen, ob wir die gesteckten Ziele erreichen. Oft geschieht dies bereits vorab durch Pre-Test Phasen. Wir testen selber bei digitalen Maßnahmen – denn im Onlinebereich lässt sich schnell erkennen, was funktioniert und wo es hakt. All das hilft uns, zu zeigen, dass Kreativität ein effektiver Business-Treiber ist. Und das kreative Lösungen auch wirtschaftlich der erfolgreichere Weg sind, mit Menschen in Verbindung zu treten.

Zum Glück schon bewiesen: Kreativität und Effektivität hängen zusammen.

Das dies zutrifft, weisen auch zahlreiche Studien nach. Der Gunn-Report hat 1996 und 2002 die Korrelation zwischen kreativ ausgezeichneten Kampagnen und Effektivitäts-Preisen aufgezeigt – und verdeutlicht, das Kreativität ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Auch James Hurman, Stratege und Autor von „The Case for Creativity“ bezieht dazu verschiedene Studien mit ein. 
Quelle: Gunn, Do Award Winning Commercials Sell?, 96/02 

Quelle: Field, The Link between Creativity & Effectiveness, 2010
(beide Abb. nach J. Hurman Slideshare) 

Ranking-Platz erreicht, zufrieden hinlegen? 
Jetzt könnten meine Kollegen und ich bei DDB Tribal eigentlich mit unserer Arbeit zufrieden sein. Denn wir haben erfolgreiche große Kampagnen im Markt, auf die wir in Bezug auf Kreativität stolz sind. Auch können wir in diesem Jahr mit einem 2. Platz im GWA Effectiveness Ranking und einem 1. Platz im W&V Effizienz-Ranking das Thema als erfüllt sehen. Aber reicht das? Geht es jetzt nur darum, überall nach Platz 1 zu streben? Wo stehen wir noch im Kreativitäts-Ranking? Eigentlich: weder noch.



Rankings sind schön, aber bilden nur einen Ausschnitt ab.
Erstens: Rankings sind schön. Aber bilden meist nur einen Teil der Medaille ab. Denn es gibt zahlreiche effektive Kampagnen, die nicht ausgezeichnet oder auch nur zu Effektivitäts-Awards eingereicht wurden. Unter anderem auch, weil nicht alle Kunden offen über ihre Zahlen sprechen wollen - was jede Agentur respektieren muss. Auch sind die Kriterien zu einigen Awards, auf denen das Ranking basiert, eher nebulös. Und die Rankings basieren wiederum auf unterschiedlichsten Wettbewerben. Das GWA-Ranking bezieht sich z.B. auf 3 wesentliche Wettbewerbe: den AME (Adverstising Marketing Effectiveness, Cannes Effectiveness und die Effies auf nationaler und internationaler Ebene. Aber: Anderes Ranking, andere Wettbewerbe - und die dann noch in einer jeweils anderen Gewichtung. Ein weiterer Kritikpunkt am Ranking: der wesentliche Effektivitäts-Preis der Branche, der in England beheimatete IPA, taucht gar nicht auf. Dabei ist dies – neben Cannes Creative Effectiveness – sicher der Effektivitäts-Preis, der deutlich detaillierter die Wirksamkeit betrachtet – und regelmäßig damit auch den Zusammenhang von Kreativität und Wirkung aufzeigt.

Effektivität fehlen die einheitlichen Standards.
Damit kommen wir zu Punkt 2: die Bewertungs-Kriterien der Effektivitäts-Awards, die wenig einheitlich sind. Da ist zum einen die unterschiedliche Gewichtung der Wettbewerbe in den Rankings (der AME zählt dreifach, der Effie zehnfach). Zum anderen die wenig regulierte Erfolgsbewertung des GWA Effie, die bereits in der Kritik steht.  

Der GWA Effie hat es in der Preisverleihung in diesem Jahr gezeigt: bei einigen der verwendeten Erfolgs-Kriterien gab es amüsiertes Gelächter aus dem Publikum. Wer sich selber einmal um einen dieser Cases bemüht hat, weiß, das es eine Herausforderung ist, auch mit guten vorliegenden Daten einen knackigen, plausiblen Case zu schreiben. Wenn aber lustig Äpfel mit Birnen verglichen und sonderbare Kriterien als Erfolgsbegründung herangezogen werden, muss man sich nicht wundern, das der Effie eher zu einem sportlichen Wettbewerb um die beste Datenverdrehung mutiert – statt ein Ritterschlag im ökonometrischen Erfolgsnachweis zu sein.

Amüsieren durften wir uns 2013 über Messkriterien wie zum Beispiel  „gestützte Kaufabsicht“ (um das Ziel, den Abverkauf zu stimulieren zu erreichen) statt tatsächlicher Abverkäufe, wechselnde Vergleichs-Wettbewerber, Vergleiche nur mit sich selber und den Vorjahresergebnissen oder dem Gesamt-Markt, reiner Bezug auf Recognition und gestützte Erinnerungswerte (beim Ziel, „Nicht-Interessierte zu begeistern“) – und das sind nur ein paar wahllos herausgepickte Aspekte. Generell ist der Effie nicht darauf ausgelegt, die Effekte jenseits von Kommunikation aus den Business-Erfolgen herausrechnen zu lassen – was die Cases aber stärker machen würde. Eine Reform der Regeln, wie sie bereits im Horizont gefordert wurde, ist also ein wichtiger Schritt.  

„Deutlich schwerer wiegt ein anderer Einwand: die Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Auszeichnungen. Der Effie nimmt für sich in Anspruch, die härteste Währung aller Awards der Kommunikationsbranche zu sein. Wenn man sich die Kriterien anguckt, die - laut den bei der Preisverleihung gelieferten Begründungen - den Ausschlag für eine Medaille gegeben haben, können daran zumindest Zweifel aufkommen. Für nahezu jede Arbeit sind es andere Faktoren, die den Erfolg begründen. Deren argumentative Kraft reicht von plausibel bis hin zu hanebüchen. Von einer einheitlichen Bewertungsbasis, die es zumindest pro Kategorie geben müsste, kann keine Rede sein.“
Horizont, 2013

Es gibt Anregungen für gute Cases.
Beispiel-Kriterien pro Kategorie, die zur Bewertung einheitlich herangezogen werden, sind eine Möglichkeit. Auch eine bessere Verdeutlichung der Kriterien und Erwartungen an potentielle Einreicher, analog zu dem, was die IPA in England bietet, würde das Niveau heben. So wird bereits vorab klar, was Do's und Don'ts sind – damit der Effie auch tatsächlich die härteste Währung der Branche ist. 

Die Beschreibung von Les Binet in seinem Buch „Marketing in the Era ofAccountability: Identifying the Marketing Practices that Truly Increase Profitability“ lässt verstehen, welche wirklichen Relationen nachweisbar sind. Gemeinsam mit Peter Field hat er zahlreiche Cases der IPA Datenbank analysiert – nachzulesen u.a. auch hier in einer Zusammenfassung.

Zusätzliche Hürden sind manchmal auch hilfreich. In der seit 3 Jahren bestehenden Effectiveness-Kategorie in Cannes kann nur eingereicht werden, was in Cannes mindestens auf der Shortlist war - und damit schon kreativ ausgezeichnet ist. Die umfassenden Fallstudien werden dazu von PriceWaterhouseCoopers geprüft  – und so entsteht am Ende eine übersichtliche Shortlist, die in 2013 nur 12 Nominierungen umfasste - aber auch nur Kampagnen prämiert, die weit über ihre Kreativ-Ranking-Punkte für Gesprächsstoff gesorgt haben. 

Harte Fakten zählen  – aber nicht allein.
Effektivität wird vor allem an der quantitativ nachgewiesenen Erreichung der Ziele gemessen – und daran, das diese möglichst beeindruckend sind in Bezug auf Investition und Markt-Kontext. Das ist sicher richtig und sollte so bleiben. Aber ein Blick auf sonderbare KPIs in einigen Fallbeispielen zeigt, das hier mehr Klarheit zu glaubwürdiger Beweisführung notwendig scheint.

Darüber hinaus sollte ein Case in seiner Gesamtheit bewertet werden – nicht nur in Bezug auf ein paar Prozent-Zahlen. Wie klar ist er geschrieben? Wie groß war die Aufgabe, das Problem, was es zu bewältigen gab? Wie stark ist die Lösung – in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad, aber auch auf die innovative Kraft der Idee dazu? Wie gut werden einzelne Kanäle eingesetzt – und dann auch in ihrer Effektivität bewertet? Und unter anderen vielleicht auch: welche neue Erkenntnis schafft dieser Case für die Branche, wie bringt er uns alle weiter in unserem Wissen um das Thema und die Kategorie? (Alles Dinge, die ich mir nicht ausgedacht habe – sondern die vom IPA längst definiert sind.) 

Wir messen unsere Arbeit lieber mit zweierlei Maß.
Wo bleibt jetzt die Kreativität bei so viel Effektivitätsgerede? Dieser Aspekt wird aktuell nur bei den Cannes Effectiveness Awards als Eingangsbarriere berücksichtigt. Darüber hinaus spielt es im deutschsprachigen Raum keine Rolle. So zählt beim Effie offiziell nur, was an quantitativen Ergebnissen nachweisbar ist. Und da ist vor der Jury jeder Case gleich. Der  IPA Award hat mit der gesonderten Honorierung von „best new learning“, „best small budget“ oder „best dedication  to effectiveness“ Nischen geschaffen, die es differenziert ermöglichen, innovative Ideen ebenso zu honorieren wie einen besonderen langfristigen Fokus auf das Thema Effektivität.

Die Tatsache, das die Rankings selber klar separiert sind  – einerseits in Bezug auf Kreativität und andererseits rein auf Effektivität  – macht es nicht leichter, die These vom Eingang zu beweisen. Ganz im Gegenteil – es legt eher nah, das es sich gegenseitig ausschließt – wenn man einmal auf die jeweils dort preisgekrönten Kampagnen und Ideen schaut. Was ein kardinaler Fehler ist – denn kreativere Ideen wirken ja erwiesenermassen besser. Sie schaffen mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit, sorgen deutlich stärker für Erinnerung und Merkbarkeit und schaffen auch über den Einsatz von Emotionen mehr Überzeugungskraft. 

So bleibt es wichtig, kontinuierlich kreative und damit auch neue Wege zu finden, um effektive Arbeit zu leisten. Arbeit, die damit teilweise noch schwerer messbar sein wird, als das, was wir hinlänglich kennen (und auch bereits messen können). Neue KPIs werden also auf Dauer hinzukommen müssen.

Denn trotz aller Möglichkeiten, die Daten und Formeln bieten – und die auch jenseits der klassischen Marktforschungs-Methodik auffindbar sind:  Kommunikation ist in großen Teilen keine Wissenschaft. Was heute effektiv arbeitet ist morgen kein Erfolgsgarant. Deshalb ist es umso wichtiger, nicht nur mehr Einheitlichkeit in der Effektivitätsmessung zu schaffen, sondern auch eine ganzheitliche Betrachtungsweise unserer Arbeit zu suchen. Statt weiter separat Kreativität und Effektivität auszuweisen in gesondert dafür entwickelten Rankings. Und so auch das kreative Potential in realen Kampagnen zu entwickeln – um künftig weiter gute, effektive Kommunikation zu schaffen, die auch kreativ überzeugt.

„However much we would like advertising to be a science – because life would be simpler that way – the fact is that it is not. It is a subtle, ever-changing art, defying formularization, flowering on freshness and withering on Imitation, where what was effective one day, fort hat very reason, will not be effective the next, because it has lost the maximum impact of originality.“ Bill Bernbach